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Wetter ist nicht einfach Wetter

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Wetter ist nicht einfach Wetter

Wie wir künftig über das Geschehen in der Atmosphäre zu denken, zu reden und zu schreiben haben werden

Wünschen Sie sich auch endlich besseres Wetter? Denken Sie lieber nochmal darüber nach. Vordergründig ist die Lage so: Der Sommer ist bisher unter aller Kanone. Und darüber scheinen sich die meisten einig zu sein. Zu nass, meist auch zu kalt, wie man meint. Die nächsten Tage geht es schon wieder noch weiter runter mit den Temperaturen. Aber dürfen wir uns einfach nach einem richtigen, warm-heißen Sommer sehnen? Ist das noch zeitgemäß? Genauer: Ist das noch politisch korrekt?

Zwischendurch sah alles ja mal besser aus, vor einer Woche zum Beispiel, als 36 Grad Celsius ins Haus standen, und sich die Wetterfrösche der ARD freuten, ihren Zuschauern mal wieder eine gute Nachricht übermitteln zu können. Auf Facebook untermalten sie die Aussichten durch ein Bild mit blauem Himmel und Sonnenschirmen, auf dem 36 Grad angekündigt wurden, als „Höchsttemperatur“ für die Woche in Deutschland, und oben drüber stand: „Gute Nachrichten“. Eitel Sonnenschein also? Weit gefehlt.

Solche Aussichten scheinen den Deutschen inzwischen schon zu viel an schönem Wetter. Ein Shitstorm brach über den Sender herein, das Onlineportal „Meedia“ zitierte aus den heftigsten Reaktionen: „Was, genau, ist an Brühhitze eine gute Nachricht?“, „Nicht gut, sondern ungesund und gefährlich für viele“. Auch Jörg Kachelmann, der die ARD-Wetterkollegen gern mal zurecht weist, schaltete sich per Twitter ein und sah schon die alten Menschen sterben, weil ihnen die Jungen keine Ventilatoren vor die Nase stellen. Und so weiter.

Bleibt also nur die Hoffnung auf weiter schlechtes Wetter oder auf den nächsten Winter bei so viel Skepsis (obwohl übrigens die Anzahl von „Kältetoten“ im Winter diejenigen der „Hitzetoten“ im Sommer stets um ein Vielfaches übersteigt). Dabei waren die 36 Grad gar nicht flächendeckend und dauerhaft angekündigt, sondern nur als punktueller Spitzenwert genannt. Aber schönes Wetter ist eben zu schön. Vielleicht soll es ja auch nicht mehr so sein. Wärme war gestern, heute heißt es Hitze, am besten noch „tödliche Hitze“.

Das Verglühen des Planeten steht unmittelbar bevor

Ich will hier nicht behaupten, dass ein Zusammenhang besteht, aber es ist womöglich nicht nur kompletter Zufall, sondern zeitgeistliche Koinzidenz, dass derzeit an anderer Stelle schon an einer neuen Nomenklatur mit durchaus normativem Hintersinn gebastelt wird und, natürlich, mit wissenschaftlichem Anspruch. Experten für politisch korrektes Kommunizieren wie zum Beispiel Elisabeth Wehling, die seit einiger Zeit bemüht sind, die deutsche Sprache auf den Zeitgeist hin zu programmieren, haben sich nun auch den Klimawandel vorgeknöpft. Moment, „Klimawandel“? Nein, auch dieses Wort will sie am liebsten tilgen, weil „Wandel“ ein eher langsam voranschreitendes Phänomen sei. Man möge bitteschön stattdessen jetzt von „Klimakatastrophe“ und „Klimakrise“ sprechen, sagt sie. Das Verglühen des Planeten steht ja auch unmittelbar bevor. Erderwärmung sei auch auszusondern, „Erdüberhitzung“ solle an seine Stelle treten. Die Sucht, die deutsche Sprache an allen Ecken und Enden neu zu erfinden, dürfte bald schon die Klimadebatte erreicht haben.

Ich weiß nicht, ob jene Frau Wehling schon einmal in die Klimahistorie hineingeschaut hat und dort auf den Begriff „Klimaoptimum“ gestoßen ist. Ich glaube nicht. Ansonsten hätte sie sich sicher umgehend dafür stark gemacht, auch dieses auszusortieren, „Optimum“ hört sich schließlich eher positiv als negativ an. Damit sind nämlich in der Wissenschaft (bis

heute) die Temperaturspitzen aus den Zeitreihen der letzten Jahrtausende gemeint, also die warmen, die schönen Zeiten, so wie das mittelalterliche Klimaoptimum oder das zur Römerzeit. Da geht es um Jahrhunderte, in denen Pflanze, Tier und Mensch besonders gut gediehen. Im Gegensatz zum Klimapessimum, das etwa nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches die Europäer plagte und mit zur Völkerwanderung beitrug, oder auch die „Kleine Eiszeit“, die Hunger und Elend übers Land brachte, und alle froh waren, als sie vor etwa dreihundert Jahren endlich vorüber war (und ihr Ende womöglich von sich aus die Industrielle Revolution auslöste und nicht umgekehrt). Wollen wir wetten, dass dieser Begriff, „Klimaoptimum“, keine lange Überlebensdauer mehr hat, wenn die überzogene Aufregung noch lange anhält und sich auch die Sprachlehrer eifrig einschalten. Rudi Carrell würde sich heute, professionell gecoacht, sein „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ wohl auch nicht mehr leisten wollen.

Aber vielleicht fühlen wir ja auch falsch, und es ist heuer ein schöner warmer Juli-Monat. Es ist ja schon manches Jahr als deutsches Rekord-Jahr eingegangen, bei dem man subjektiv ganz anderer Meinung war. Nach telefonischer Auskunft vom Deutschen Wetterdienst (DWD) lagen die Juliwerte bis zum 25. des Monats immerhin um etwa 1,3 Grad über dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990, den die Wetter- und Klimaexperten bei ihrer Einreihung der aktuellen Werte zugrunde legen. „Wir liegen gut über dem Schnitt“, sagt der DWD-Experte, auch wenn es noch keine offizielle Auswertung gebe, aber es werde sicher nicht einer der fünf wärmsten Juli-Monate“. Das hätte einen dann doch auch sehr gewundert.

Dieser Juli war zu warm

Nehmen wir nur mal Berlin-Tempelhof, wo der Blogger selbst die letzte Zeit lieber im warmen und vor allem trockenen Haus verbrachte. Selbst da soll der Juli überdurchschnittlich warm gewesen sein. Zwar nur um 0,1 Grad im Vergleich zu dem langjährigen Mittelwert aus den Jahren 1961 bis 1990, den die Wetter- und Klimaexperten bei ihrer Einreihung der aktuellen Werte zugrunde legen. Aber da kommen dann doch mal Gedanken auf an den Wärmeinseleffekt, der dafür sorgt, dass die Temperaturwerte in den zumeist urbanen, und schon allein deshalb immer wärmer werdenden Messstellen überzogen sind?

Und wo wir schon mal alle grad in Berlin sind: Wahrscheinlich sind hier die Niederschläge auch nur ein Phantom. Hier sollte es – wie auch in der brandenburgischen Umgebung – eigentlich immer trockener werden und das Grundwasser tendenziell versiegen, wie die Klimamodelle der Experten vorhersagten, die vor vielen Jahren schon beanspruchten, fast zentimetergenau den örtlichen Klimawandel für ganz Deutschland prognostizieren zu können. Stattdessen laufen in den Kellern der Stadt die Luftentfeuchter. Natürlich, Ausnahmen bestätigen die Regel, einzelne katastrophale Hitzegewitter und Tropenregen würden dann doch auch mal herunterkommen, hieß es.  Neulich, da gab’s mal in der Tat ein heftiges Gewitter. Dass aber ein ganz normales Tiefdruckgebiet ganz normalen aber lang anhaltenden und deshalb auch massenhaften Regen bringt, wie es gerade jetzt über Berlin geschieht, das war eigentlich nicht vorgesehen. Aber vielleicht täuschen wir uns ja auch nur mit dem Regen.

Donner und Doria


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